Kinder, Sport und Kampfkünste

Wem?
Sportart. Die Wahl
Kampfkünste
Letzte Anmerkung
Schlusswort


Wem?


Dieser Artikel ist den Eltern und Erziehungsberechtigten der Kinder im Schulalter gewidmet. Liebe(r) Leser(in), falls Du der Meinung bist - „Sport ist Mord“, könntest Du mit dem Lesen aufhören. Ebenso wenig eignet sich dieser Artikel für diejenigen, die in ihrem Nachwuchs die zukünftigen großen Sportler sehen.

Noch da? Und trifft es vielleicht zu, dass Dein Kind von der Schule nach Hause übererregt kommt und manchmal Wutausbrüche sowie Konzentrationsschwächen hat? Oder es beschwert sich über die andauernden Rücken - bzw. Kopfschmerzen? Diese Liste kann man mit vielen anderen Einträgen befüllen…

Es gibt eine japanische Hieroglyphe „Wa“, welche die Bedeutung „Körper und Geist in Gleichgewicht“ hat: die Belastung aufs Gehirn sollte unbedingt mit der körperlichen Arbeit kompensiert werden. Nur durchs Erreichen eines solchen Gleichgewichtes kann die harmonische physische und psychische Entwicklung des Kindes gewährleistet werden.



Sportart. Die Wahl


Falls keine ärztlichen Einschränkungen bekannt sind, stellt sich den Erziehungsberechtigten eine Frage: welche Sportart würde zu meinem Kind am besten passen? Anstatt das Thema „Kampfkünste“, welche im Fokus dieses Artikels stehen, gleich in Betracht zu ziehen, möchte ich zuerst einige Thesen anbringen, und zwar der Sport muss:
  • dem Kind möglichst gefallen,
  • dem Kind die vielseitige physische Entwicklung ermöglichen und
  • mit den physischen und psychischen Eigenschaften des Kindes übereinstimmen
Deswegen bin ich ein prinzipieller Gegner des professionellen Sportes, vielleicht nur mit einer Ausnahme, wenn ein Kind wirklich ein Talent sowie eine enorme Leistung demonstriert. Ich bin auch tief überzeugt, dass ein Junge oder ein Mädchen im Laufe des Erwachsenwerdens immer wieder neue Sportarten entdecken und ausprobieren soll! Deswegen ist dieser Artikel für diejenigen gedacht, die den Wert darauf legen, ihren Nachwuchs gesund, physisch aktiv und psychisch stabil zu erziehen. Wenn diese Kinder erwachsen werden, sollte es für sie unproblematisch sein, mit den Altersgenossen unterschiedlichste Sportaktivitäten zu teilen: Im Falle der ausreichend langen Auseinandersetzung mit Kampfkünsten kommt noch die Fähigkeit, sich selbst oder auch andere Menschen zu verteidigen.

Es gibt einen gewissen Nenner bei sportlichen Aktivitäten, welche ich für jedes Kind empfehlen würde. In der ersten Linie geht es ums Schwimmen, besonders für Jungs, die sich dabei eine großartige Gestalt erhoffen können.

Als Nächstes, erstaunlich für manche, Tischtennis! Werft eurem Kind einen Tischtennisball zu und schaut, ob/wie gut es den Ball mit einer Hand fangen kann. Ein paar Jahre in einem Tischtennisverein bringen dem Kind eine gute Motorik und einen Riesenspaß fürs ganze Leben bei diesem stark verbreiteten Spiel!

Das Tanzen ist, meiner Meinung nach, unbedingt erforderlich für Mädchen (die Jungs entdecken die Welt des Tanzes üblicherweise erst später). Ich rate dabei mit dem Ballett anzufangen, ungeachtet davon, ob Veranlagungen dazu existieren.

Noch ein Tipp, der insbesondere Jungs betrifft, wäre eine Schachclub: Einige Erkenntnisse aus dieser Zeit werden für sie lebenslang behilflich sein.
Und, endlich, der Kampfsport: einer Frau bringt er mentale und physische Fähigkeiten gefährliche Momente auszugleichen und sich verteidigen zu können; einem Mann erbauen sie eine stille Kraft eines selbstsicheren Menschen, der sich traut (und auch in der Lage ist!), die Kontrolle über eine heikle Situation zu übernehmen und solche eigenverantwortlich zu lösen.

Dank der Tatsache, dass der Kindersport in Deutschland relativ günstig ist (ausgenommen von relativ wenigen Sportarten), kann ich mir kaum Familienumstände vorstellen, bei denen ein Monatsbeitrag eines Sportvereines in Höhe von 15 bis 40 EUR zu hoch/unbezahlbar sein sollte. Aus meiner Sicht ist die Beteiligung des Kindes beim Ausüben von mindestens zwei Sportarten vollkommen möglich und auch erwünscht. So empfehle ich die riesige Vielfalt der Sportdisziplinen wie Kleidungsstücke „anzuprobieren“ und jede zwei Jahre zu wechseln - bis die einzigen „richtigen“ gefunden werden.

Zum Abschluss möchte ich meine Meinung bezüglich „Zwang zum Sport“ äußern. Liebe Eltern, wenn es um die Kinder im Alter unter 10-11 Jahre geht, ist der Zwang zum Sportunterrichtbesuch akzeptabel! Oft haben Kinder nur Angst vor dem Neuen (neue Menschen, neue Umstände und Herausforderungen, etc.), die sich binnen zwei Monaten auflöst. Falls Ihr Kind sich trotzdem nicht wohl fühlt, sollte man mit dem Sportunterricht unbedingt aufhören und es in einiger Zeit mit einer anderen Sportart versuchen. Kommt das Kind bei keinem Sportunterricht zurecht, wäre es wahrscheinlich ein Zeichen, sich an einen Psychologen zu wenden…



Kampfkünste


Welche Kampfkunst ist für mein Kind am besten geeignet? Die Antwort könnte vom Alter und Geschlecht des Kindes abhängig sein. In diesem Abschnitt versuche ich meine Vision idealer Kampfkunstwahl zu vermitteln.

Alter 6 - 10 Jahre: Womit fängt man an?

Diese Frage kann man auch anders formulieren: Was ist nicht erwünscht?

Ich würde von jeder Kampfsportrichtung mit Schlagtechniken abraten: Karate, Boxen, Taekwondo, etc. Der Grund liegt in den Worten „Verantwortlichkeit“ und „Disziplin“, für die ihr Kind definitiv nicht genug gewachsen ist: Es wä schlimm, wenn das Kind versucht, die gerade erworbenen Kenntnisse am Schulhof anzuwenden…

Genauso für wenig geeignet halte ich Aikido: diese sehr anspruchvolle Kampfkunst erfordert gute Koordination und Gleichgewicht, Bekanntschaft mit Schlagtechniken, Anwenden der Meditation… All das ist in diesem Alter noch nicht gegeben.
Mehr Sinn würde die traditionelle chinesische Kung Fu machen, denn die Kinder im genannten Alter beschäftigen sich dort überwiegend mit Akrobatik und „tänzerischen“ Standartkomplexen.

Die Empfehlung des Autors lautet Judo. In drei-vier Jahren erlernt Ihr Kind solche wichtigen Sachen, wie Fallschule, Arbeit mit dem Gleichgewicht, erlebt die erste (und kontrollierte!) Auseinandersetzung mit Aggression und macht sich bekannt mit Disziplin und Ritual. Außerdem hat es sein erstes Arsenal an anwendbaren Techniken: Wenn es am Schulhof zu einem echten Streit kommt… Ihr Kind wird höchstwahrscheinlich die Situation durchs Brechen des Gleichgewichtes des Gegners lösen: Wie die gleiche Situation ein Karate - Kid lösen wird, ist, glaube ich, klar…

Nuance: Ju-Jutsu für die Kinder dieses Alters ist nun wenig von klassischen Judo unterscheidbar und ist auch vollkommen als ein Start in die Welt des Kampsportes geeignet!


Alter 11 – 13 Jahre: Zeit für die Schlagtechnik!

Andere Bewegungsart, Timing, Gefahr und Reaktion auf diese, neue physische und psychische Belastungen. Das Kind soll lernen
  • den Schlag zu „spüren“ (Geschwindigkeit, Reaktionszeit, Gefahreinstufung, die Wahl der Verteidigungsstrategie: ausweichen, in Deckung gehen, abwehren),
  • zu schlagen (womit, wohin, wie, mit welcher Kraft)
  • die neu empfundenen Schmerzen überwinden zu können
Das Hauptziel ist die Ausarbeitung eigener realer Selbstverteidigungsmöglichkeiten - unter Berücksichtigung des psychologischen Aspektes.
Dafür bieten sich mehrere Kampfsportarten mit Schlagtechnik an - Karate, Kickboxen, Taekwondo, Muay Thai, etc. Zu große physische Belastungen? Konflikte mit Alterskameraden? Keine gemeinsame Sprache mit dem Meister? Den Verein wechseln und mit einer neuen Kampfkunst anfangen!

Dazu ein Paar Anmerkungen:
  • für die Mädels ist Wing Chun (eine sehr effektive Kampfkunst, die keine gesonderte physische Kraft erfordert) prima geeignet
  • für beide Geschlechter: Unterricht mit der „Hilfswaffe“ ernst nehmen (Stock, Schwert, Messer, usw.)
Nuance: In diesem Alter würde ich mit den militärischen Kampfsystemen (israelisches Krav Maga, russischer Nahkampf und ähnliches) nicht anfangen. Das Ziel solcher besteht im Anbringen eines Maximalschaden für den Gegner, bis zu seinem Tod, falls es notwendig wäre. Klar, der Situation entsprechend kann man das Niveau der Gewalt regulieren und drastisch senken, trotzdem halte ich das Teenager - Alter nicht für die beste Zeit, um solche Techniken zu lernen. Grob gesagt, lieber kriegt Ihr Kind eins auf die Fresse als dass es jemanden versehentlich umbringt!


Alter 14 – 17 Jahre: Zurück zur Wurftechnik!

Genau jetzt, nach dem Teenager sich mit ihren Körpern angefreundet haben und ihre Aggressionen unter Kontrolle gebracht haben, ist die Zeit gekommen, Wurftechniken unter einem anderen Winkel zu betrachten und sie in das eigene Verteidigungsarsenal aufzunehmen. Meine Favoriten hier sind Aikido, Ju-Jutsu oder Sambo.

Ein ernsthaftes Problem, welches überwiegend Aikido betrifft, ist die Tatsache, dass die gegebenen Techniken von realen Situationen weit entfernt sein können: Diese Krankheit ist in Deutschland stark verbreitet und es wäre aus meiner Seite nicht fair, dies nicht zu erwähnen. Die Sache ist nicht so harmlos, wie es scheint. Solche Clubs mit gutem Unterrichtsklima, effektiver Gymnastik und klarer Ausrichtung auf die Eleganz der Techniken können ein falsches Gefühl vermitteln, dass das Erworbene auch in einem echten Kampf anwendbar ist…

Falls der Unterricht sich auf das praktische Nutzen konzentriert und auf die eigenen Eigenschaften des Trainierten (Gewicht, Geschlecht, Kraft, Geschicklichkeit, eigene Vorzüge) angepasst wird, dann bekommt man in 4 - 5 Jahren
  • eine effektive Technik, die erlaubt, die angewendete Gewalt an die Seriosität der konkreten Situation anzupassen und möglichst weniger (bis überhaupt keinen!) Schaden dem Angreifer zuzufügen,
  • einen sicheren Gesundheitseffekt aufgrund von spezieller Gymnastik und
  • das Gefühl des Selbstvertrauens, über das schon oben die Rede war.
Ab diesem Moment steht dem jungen Mann bzw. der jungen Dame alles zur Wahl, was die Welt der Kampfkünste zu bieten hat - man kann auch damit aufhören, schließlich gibt es im Leben so viele interessante Dinge, für die man keine Zeit findet! Vielleicht würde ich nur den Erwachsenen, für die eine Begegnung mit Gewalt theoretisch denkbar ist (eine Nachtschicht in einem gefährlichen Bezirk, der Beruf eines Anwalts oder Journalisten, etc.), empfehlen sich kurz mit „militärischen“ Kampfsystemen bekannt zu machen.



Letzte Anmerkung

Außer der schon erwähnten Gefahr, wo eine Kampfkunst zum Ballett wird, gibt es noch eine andere Falle: Der Gürteltrieb.
Die Wurzel dieses Problems liegt in der Tatsache, dass Sportvereine sich verpflichtet sehen, ihre Erfolge an das „Hauptquartier“ zu melden. Dabei wird die Atmosphäre geschaffen, wo Kinder (und auch oft Erwachsene!) an der Teilnahme der Prüfungen für den nächsten Gurt-Grad „gezwungen“ werden. Besonders oft trifft dies bei Karate zu, wo nicht selten Kids im Alter unter 12 Jahren mit einem schwarzen Gürtel (also, mit dem Grad eines Meisters!) dekoriert sind.

Jede(r), welche(r) alte japanische Filme über Judo oder Karate schaut, kann etwas Interessantes beobachten. Die Burschen, welche all die Kämpfe ausgelöst haben, hatten meist keinen schwarzen Gürtel! Damals verfügten über einen solchen nur die Meister: Ein Versuch, sie zu einem Kampf herauszufordern, war für die nicht ausreichend vorbereiteten Menschen etwas wie ein Selbstmord.



Schlusswort


Der Autor ist kein Experte in der Kampfsport - Thematik und will mit diesem Artikel nur seine Meinung und Erfahrung teilen. Außerdem wurde hier absichtlich nicht auf die Definition der Begriffe (Kampfsport, Kampfkunst, Kampfsystem) eingegangen. Als ob das Bogenschießen, das Fechten oder das Biathlon nichts mit Kampfsport zu tun haben…

Ich hoffe trotzdem, dass dieser Text Dir, liebe(r) Leser(in) eine gewisse Hilfe leistet, Deinem Kind die Tür in die vielfältige Welt des Kampfsportes zu öffnen und mit dieser Hoffnung verabschiede ich mich.



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