Der Staat: unentdeckte Chancen

Die Norm DIN EN ISO 9001:2015 fordert Organisationen zum systematischen Umgang mit Risiken und Chancen. Betrachtet man einen Staat als eine sehr komplexe Organisation, dann wäre auch folgende Behauptung logisch und konsequent: Für sein nachhaltig erfolgreiches Funktionieren muss der Staat treffende Anforderungen dieser Norm erfüllen.

Es bietet sich die Frage an - wie würde die Tätigkeit einer Regierung aus dem Standpunkt „Umgang mit Risiken und Chancen“ bei einem Audit abschneiden? (Ich persönlich halte es für keine schlechte Idee unser Management (Regierung) mal seitens DQS /TÜV Süd / etc. zu auditieren).

Die Systematik einer miserablen Behandlung der Staatsrisiken in den letzten zehn Jahren führt zu einem berechtigten Zweifel: Was war es denn - Unfähigkeit, Dummheit… böswillige Absicht? Eventuell zeigt mal unsere Staatsanwaltschaft mehr Neugier und bringt Klarheit in dieses undurchsichtige Gebiet…

Dieser Beitrag ist der Chancenerkennung gewidmet - also, nicht den Chancen, welche erkannt und trotzdem nicht realisiert wurden - wie z.B. die berühmte „Digitalisierung“, sondern den Chancen, welche weder unsere Gesellschaft noch unsere Regierung wahrnehmen konnten.

Menschen schaffen Reichtum - nicht Regierungen, Parteien, Gesetzgebungen oder andere (neben)staatlichen Institutionen und Artefakte. Wenn man mit dieser These einverstanden ist, dann wurde die Bundesrepublik Deutschland mit zwei großen Chancen beschert - zwei Flüchtlingswellen im Jahr 2015 und 2022.

Die Welle der Flüchtlinge aus Syrien hat sowohl unsere Gesellschaft als auch unsere Regierung kalt erwischt. Eine ungeheure Energie junger Männer aus der asiatischen Region wurde nicht in die Wohlstandschaffung in unserem Land umgeleitet: Sie verschwand in Gettos der ANCO - Zentren und im Sumpf der absolut ungeeigneten Integrationsmaßnahmen.

Russlands Angriff auf die Ukraine hat erneut riesige Menschenmengen in Bewegung gebracht - ungefähr eine Million Flüchtlinge kamen nach Deutschland. Dieses Ereignis schockierte unsere unbelehrbaren Behörden, aber die Reaktion unserer Gesellschaft war hervorragend: Selbstorganisation, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft. Diese Atmosphäre des Mitgefühls mit Frauen und Kindern, welche ihre (zum Teil schon beschädigten oder gar zerstörten) Häuser verließen und in ein fremdes Land fliehen mussten, bleibt auch nach acht Monaten bestehen. Wohlbemerkt, auch wenn die Last auf unsere (schon davor schlecht laufenden) Gesundheit - und Schulsysteme enorm ist.

Es stimmt, die ukrainischen Flüchtlinge sind oftmals psychisch angeschlagene Menschen. Sie haben teilweise sehr geringe Sprachkenntnisse in den, in Europa meistverbreiteten, Sprachen. Unser Staatssystem ist für sie schwer nachvollziehbar. So werden sie von den deutschen Bürgern gesehen, so nimmt sie der deutsche Staat wahr.

Was aber weder seitens des Staates noch seitens der Gesellschaft verstanden wurde, ist die Tatsache, dass nach Deutschland hunderte Tausend von Spezialisten kamen! Kindererzieher, Mediziner, Lehrer, Selbständige, Gastronomie-Spezialisten sowie Profis in anderen Berufen! Das ist eine riesige (und einmalige) Chance die Kenntnisse und Erfahrungen dieser Menschen für den Aufschwung unseres Landes anzuwenden!

Wenn man in den Nachrichten liest, dass in Polen 340 000 ukrainischen Staatsbürger (Flüchtlinge) ihren Job fanden oder Armenien plant, durch die geflüchteten russischen Männer ihr Bruttoinlandsprodukt um 10% zu erhöhen, dann fragt man sich - welche Absichten hat in dieser Hinsicht unser Staat? Schon jetzt ist es klar, dass die Mehrheit der ukrainischen Flüchtlinge wenigstens sechs bis neun Monate im Land bleiben werden. Wie können wir davon gegenseitig profitieren? Ich rufe die Staatsinstitutionen und Behörden dazu auf, endlich realistische Pläne für den Einsatz ukrainischer Spezialisten zu erarbeiten und zu verwirklichen! Und wenn es auch eine Änderung der Gesetzgebung bedarf, muss es rasch umgesetzt werden, denn wer weiß - vielleicht erwartet uns mal eine andere ähnliche Chance…

Einige Einsatzgebiete für Flüchtlinge sind auf den ersten Blick erkennbar.

So können, z.B. die ukrainischen Kindererzieherinnen mit mehreren Jahren Berufserfahrung die dramatische Situation in deutschen Kinderstätten lindern: Jeder, der behauptet, dass ein zweijähriger deutscher Bub mit seinen Windeln anders umgeht, als sein Altersgenosse in Argentinien, England oder China ist ein idiot oder Rassist.

Auch in den deutschen Schulen können ukrainische Lehrer eine Aushilfe leisten - insbesondere was solche Fächer angeht, wie Mathe, Informatik oder Physik. Als Beispiel bringe ich nun die Ergebnisse der IMO (Internationale Mathematik-Olympiade):

- BRD: Goldmedaillen: 26. Silbermedaillen: 62. Bronzemedaillen: 60. Ehrende Erwähnungen: 0.

- Ukraine: Goldmedaillen: 43. Silbermedaillen: 72. Bronzemedaillen: 50. Ehrende Erwähnungen: 9.


Als Fazit möchte ich meinen Appell an den Staat betonen: Die Chancen für unsere Gesellschaft, welche aus dem zeitlich begrenzten Verbleiben ukrainischer Flüchtlinge in der BRD hervorgehen können, müssen schnellstmöglich analysiert werden. Es ist noch nicht zu spät einen unglaublichen Nutzen für unsere Bevölkerung zu erzielen - man sollte noch offen und ehrlich sein.



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